Hervorragende Beiträge zur Entwicklung von Schallwandlern sowie insbesondere die Miterfindung des Elektretmikrofons und des Silizium-Kondensatormikrofons

Pionier der Mikrofontechnologie

Jede originalgetreue Übertragung von Sprache oder Musik wird wesentlich bestimmt durch das physikalische Wirkungsprinzip des analogen Schallwandlers, den technischen Aufbau insbesondere der Mikrofonkapsel und die optimale geometrische Aufstellung eines oder evtl. mehrerer Mikrofone relativ zur Schallquelle. Jeder Nachrichtentechniker kennt zumindest ansatzweise das Prinzip der akusto-elektrischen Wandlung, bei der Mikrofone Schallenergie (Luftschwingungen) zunächst in mechanische Energie (Membranschwingungen) und anschließend in elektrische Wechselspannungssignale umformen.

Je nach Art der Kapselbauweise unterscheidet man Druck- und Druckgradientenempfänger. Zusätzlich wird durch den mechanischen Kapselaufbau die für die Schallaufnahme aus unterschiedlichen Richtungen bestimmende Richtcharakteristik (Kugel-, Achter-, Nierenform usw.) beeinflusst. Nach der Art der Umformung mechanischer in elektrische Energie unterscheidet man verschiedene Wandlerprinzipien, die schließlich auch die Bezeichnung des Mikrofontyps festlegen. Neben den elektrodynamischen und den elektrostatischen Wirkungsprinzipien, welche die Konstruktion dynamischer Mikrofone bzw. der Kondensatormikrofone ermöglichen, lässt sich auch der Piezoeffekt zur Schallwandlung ausnutzen. Beim Kondensatormikrofon wird eine Platte des Kondensators als bewegliche Membran in Form einer Metallfolie ausgeführt. Die andere Kondensatorplatte besteht aus einem geeignet durchbohrten Metallblock. Der so speziell geformte Kondensator wird durch eine externe Gleichspannung (mittels Phantomspeisung) aufgeladen. Die durch mechanische Druckschwankungen bewirkte Variation des Plattenabstandes verursacht Ladungsfluss hin zum bzw. weg vom Kondensator.

Die vom Preisträger und seinem damaligen Kollegen bei den Bell Laboratories, Jim West, in den frühen 60er Jahren erfundenen Elektretmikrofone sind Kondensatormikrofone mit speziellem Aufbau. Eine der beiden Elektroden des Plattenkondensators besteht aus einem elektrostatisch vorbehandelten Kunststoffmaterial. Bahnbrechend war damals die neuartige Verwendung dünner Plastikfilme aus Mylar- und später aus Teflonwerkstoffen, die man zunächst bei hohen Temperaturen einem starken elektrischen Feld aussetzt und die dann ihre elektrische Polarisation nach dem Abkühlen über viele Jahrzehnte dauerhaft beibehalten. Die Ladung wird bei diesen Polymer-Elektreten quasi „eingefroren“, mit der Konsequenz, dass, im Unterschied zum normalen Kondensatormikrofon, keine Phantomspeisung mit einer hohen äußeren Gleichspannung mehr benötigt wird. Der Begriff Elektret wurde übrigens schon 1885 von dem englischen Physiker Oliver Heaviside geprägt und weist auf die elektrostatische Analogie zum Permanentmagneten hin. Auch Elektret- Kondensatormikrofone benötigen einen (sehr geringen) Speisestrom, jedoch nur zum Betrieb eines Impedanzwandlers, der meist bereits in die Mikrofonkapsel eingebaut wird. Der Schallsensor wird an den hochohmigen Eingang eines Feldeffekt-Transistors angeschlossen. Die Erfindung dieses Folien-Elektretmikrofons durch Sessler und West liegt nun schon 45 Jahre zurück. Die im Vergleich zu anderen Bauformen geradezu winzigen Abmessungen, die Realisierung breitbandig flacher Amplitudengänge im Hörfrequenzbereich, die geringe Empfindlichkeit gegenüber unerwünschten mechanischen Erschütterungen und ganz besonders die niedrigen Herstellungskosten der Kapsel führten dazu, dass Elektretmikrofone sich rasch als Massenprodukte auf dem Weltmarkt durchsetzten. Aktuelle Produktionszahlen von mehr als 2 Milliarden Stück pro Jahr sprechen für sich und sind Indiz dafür, dass sich die Technologie bis heute bewährt hat. Elektretmikrofone decken gegenwärtig etwa 80 bis 90 Prozent des weltweiten Bedarfs ab. Die Zahl der Einsatzgebiete ist riesig. Alleine die Standardanwendungen reichen von Haus- und Mobiltelefonen, Filmkameras, Diktierund Hörgeräten sowie Sensoren in Kraftfahrzeugen bis hin zu einfachen, akustisch gesteuerten Spielzeugen für Kinder.

Der diesjährige Technologiepreisträger, Professor Gerhard Sessler, hat in seiner langen und äußerst produktiven Berufslaufbahn in den vergangenen Jahrzehnten seit der Patentierung des Elektretmikrofons auf sehr vielen weiteren Gebieten der Technischen Akustik, der Erforschung elektroaktiver Materialien und der digitalen Verarbeitung akustischer Signale Hervorragendes geleistet. Er hat bereits als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab 1967 als Leiter des Acoustics Research Departments der Bell Laboratories in Murray Hill außergewöhnlich viele patentreife Ideen entwickelt. Seine Studenten und Doktoranden, die er als Professor für Elektroakustik seit 1975 an der Technischen Hochschule in Darmstadt bis heute, also auch nach seiner Emeritierung im April 1999, betreut, waren selbstverständlich an den Untersuchungen und den wissenschaftlichen Ergebnissen aktiv beteiligt.

Ein weiterer, viel beachteter Meilenstein auf dem Weg zum kostengünstigen Bau winziger Mikrofone, der in dieser Zeit als Hochschullehrer an der TH-Darmstadt erreicht werden konnte, ist die gemeinsam mit Dietmar Hohm geleistete Entwicklung und Patentierung des Subminiatur-Silizium- Kondensatormikrofons im Jahre 1983. Nicht zuletzt dokumentiert Sesslers Aufnahme als einziger lebender Deutscher in die National Inventors Hall of Fame der U.S.A. im Jahr 1999 eindrucksvoll die internationale Anerkennung seiner Leistungen und den technischen Nutzen seiner Erfindungen.

Die Eduard-Rhein-Stiftung ehrt mit Herrn Professor Gerhard M. Sessler einen weltweit anerkannten und vielfach ausgezeichneten Erfinder, Technologen und brillanten Hochschullehrer, der über viele Jahrzehnte die Mikrofontechnik revolutioniert und Generationen von Studierenden das spannende Gebiet der Elektroakustik anschaulich nahe gebracht hat.

Prof. Dr.-Ing. Horst Bessai,
Universität Siegen