Cochlea- Implantat: Entwicklung und kommerzielle Umsetzung

Univ. Doz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Dr. med. h.c. Ingeborg J. Hochmair-Desoyer und em. o. Univ. Prof. Dipl-.Ing. Dr. techn. Dr. med. h.c. Erwin Hochmair
Für die Entwicklung und kommerzielle Umsetzung des ersten mehrkanaligen Cochlea- Implantats.

Prof. Blake S. Wilson, Ph.D., D.Sc., D.Eng., Dr. med. h.c. (mult.)
Für die Entwicklung eines Sprachcodierungsverfahrens für Cochlea-Implantate namens “Continuous Interleaved Sampling” (CIS), das seit der Einführung Ende der 1980er Jahre zu einer signifikanten Verbesserung des Sprachverständnisses von Patienten mit diesem
Implantat führte.

Entwicklung eines mehrkanaligen mikroelektronischen
Innenohr-Implantates und entsprechender Codierungsstrategien
zurWiedererlangung von Sprachverständnis

Das menschliche Ohr besteht aus drei Teilen, dem Außenohr, dem Mittelohr und dem Innenohr.
Während das Außenohr primär für das Sammeln von akustischer Information aus der Umwelt dient,
ist das Mittelohr für die Übertragung von luftgebundenen Druckschwankungen in flüssigkeitsgebundene
Druckschwankungen zuständig. Im Innenohr findet schließlich die Abbildung von
Frequenzgemischen auf den Ort (sog. „tonotope Projektion“) und die Wandlung von ortsabhängiger
mechanischer Schwingung in elektrische Information in Nervenzellen statt. Die zugehörige
anatomische Struktur ist helikal geformt und wird als sog. „Schnecke“ (Cochlea) bezeichnet.
Im Inneren der Schnecke befindet sich die Basilarmembran, entlang derer der Frequenzgehalt
der akustischen Wellen mittels besonderer Sinneszellen auf den Ort abgebildet wird. Diese
Sinneszellen werden als sog. „Haarzellen“ bezeichnet und sind fest mit dem auditorischen Nerv
verbunden. Bei einer Innenohr-Schwerhörigkeit sind eine bestimmte Anzahl dieser Haarzellen
geschädigt, die entsprechende akustische Information kann nicht mehr komplett an das Gehirn
übertragen werden.

Eine solche Schwerhörigkeit war früher nur sehr schwer therapierbar. Die Einführung
elektronischer Implantate zur Wiedererlangung der Hörfähigkeit wurde daher von Vielen zu Recht
als Durchbruch angesehen. Die zentrale Idee dieser sog. „Cochlea-Implantate“ war die Überbrückung
der natürlichen akustischen Kette und die direkte Stimulation des N. Acusticus. Dazu
wurden ein Mikrofon zur Aufnahme akustische Information aus der Umwelt, ein elektronischer
Prozessor zur Signalverarbeitung und eine direkte elektrische Verbindung mit den Nervenzellen
benötigt. Da eine permanente elektrische Verbindung mit dem Nerven über kurz oder lang zu
Infektionen führt, empfiehlt sich die Auftrennung der Funktionen in externe und implantierte
Teilkomponenten, die über eine entsprechende Datenverbindung (Nahfeld-Telemetrie) miteinander
verbunden sind.

Basierend auf Vorarbeiten aus den 1950er Jahren wurden die ersten Innenohr-Implantate in
den frühen 1970er Jahren implantiert, die aber noch kein wirkliches Wort- und Sprachverständnis
erlaubten. Das erste mehrkanalige Cochlea-Implantat, das mit einem Array aus mehreren Elektroden
ausgestattet war und maßgeblich vom Ehepaar Hochmair entwickelt wurde, konnte im Jahr
1977 in Wien implantiert werden. Dieser technologische Durchbruch wurde nur durch die
zugehörigen Erfolge bei der Miniaturisierung von Elektronik und entsprechender Verbindungstechnik
möglich. Unter mehreren konkurrierenden Codierungsstrategien setzte sich dann Ende
der 1980er Jahre das von Prof. Blake Wilson entwickelte Continuous Interleaved Sampling
(CIS) Konzept gegenüber anderen Kodierungsstrategien (wie z. B. der Compressed Analogue (CA)
Technologie) durch. Diese Kodierungsstrategie ordnete einzelne Bandbereiche bestimmten Elektroden
zu und sorgte darüber hinaus für eine zeitlich versetzte Stimulation, wodurch viele Patienten
eine deutlich besseres Wort- und flüssiges Sprachverständnis bis hin zum Telefonieren erlangten.

Die Gewinner des diesjährigen Technologiepreises hatten an dieser Erfolgsgeschichte einen
großen Anteil. Während die Entwicklung des ersten mehrkanaligen Innenohr-Implantates durch
das Ehepaar Hochmair das technologische Fundament der Erfolgsgeschichte und darüber
hinaus die Basis für die spätere Gründung der Firma Med-El in Innsbruck bildet, brachte die
algorithmische Leistung von Prof. Wilson den ersehnten therapeutischen Durchbruch für die
Patienten, nämlich ein weitgehendes Sprachverständnis ohne Blickkontakt.