Entwicklung von PASCAL, der ersten strukturierten Programmiersprache

Mit PASCAL aus der Softwarekrise

Zum Ende der 60er Jahre fanden Computer außer in der wissenschaftlichen Anwendung zunehmend Einsatz in Wirtschaft und Industrie. Für immer mehr und immer umfangreichere Aufgaben waren Softwareprogramme zu entwickeln; eine Kunst, die von dem aufkommenden Berufsstand der Programmierer häufig nur mäßig gut beherrscht wurde. Die Programmierung geriet in den Verruf, viel zu komplexe, kaum wartbare Ergebnisse mangelnder Qualität zu horrenden Kosten zu liefern. Die Softwarekrise war geboren.

Niklaus Wirth, seit 1968 Informatik-Professor an der ETH Zürich, leistete mit der Entwicklung der Programmiersprache PASCAL in den Jahren 1968-72 einen ganz wesentlichen Beitrag zur systematischen, strukturierten Softwareentwicklung und zeigte damit den Weg aus der Softwarekrise. Denn PASCAL war nicht nur eine neue Programmiersprache, sondern ein neues Programmparadigma, ein didaktisches Mittel zur Erziehung zum systematischen, strukturierten Denken. PASCAL ist eine problemorientierte höhere Programmiersprache, gekennzeichnet durch Einfachheit, leichte Erlernbarkeit, Unterstützung der strukturierten Programmierung, das Vorhandensein problem-orientierter Datentypen und die Möglichkeit sehr schnell zu fehlerfreien Programmen zu kommen. Mit PASCAL wird aus der Programmierkunst eine Ingenieurstätigkeit, das Software-Engineering.

Mit Einführung einer neuen Programmiersprache in einer Hochschule lassen sich zwar Studenten ausbilden, der Durchbruch, d. h. die Verbreitung dieser Programmiersprache vor allem in der Industrie war damit allerdings noch nicht verbunden. Schließlich stand PASCALim Wettbewerb zu etablierten Sprachen wie ALGOL und vor allem FORTAN. Deshalb entwickelte Wirth in einem Folgeprojekt von 1972-74 einen leicht portierbaren PASCAL-Compiler, geschrieben in der eigenen Programmiersprache PASCAL, der einen rechnerunabhängigen Zwischencode erzeugte, den berühmten P-Code. Zur Portierung des PASCAL-Compilers auf einem neuen Rechner brauchte es nur einen relativ einfachen P-Code-Interpreter und schon waren PASCAL-Programme lauffähig. IBM, Univac, DEC und Siemens boten schon bald PASCAL-Compiler für ihre Rechnersysteme an. Der ganz große Durchbruch erfolgte dann ab Anfang der 80er Jahre mit dem Aufkommen und der Verbreitung der Personalcomputer, auf denen auch heute noch leicht handhabbare und doch sehr leistungsfähige PASCAL-Programmierumgebungen zur Verfügung stehen.

Niklaus Wirth hat mit der Erfindung und Verbreitung von PASCALInformatikgeschichte geschrieben. PASCAL etablierte sich zur klassischen Ausbildungssprache, weil sie wie keine andere zum systematischen, strukturierten Programmieren zwang. Wirth hat Generationen von Softwareentwicklern geprägt und so eine neue Softwaretechnik gestaltet. Zum Bleibenden gehört insbesondere auch seine Lehrtätigkeit an der ETH Zürich, aus der eine Reihe von zu Klassikern gewordenen Büchern entstanden sind. Schlussendlich fanden die wesentlichen Konzepte von PASCAL auch Eingang in alle neueren Programmiersprachentwicklungen, insbesondere in die objektorientierten Sprachen.

PASCAL ist bei weitem nicht die einzige große wissenschaftliche Leistung von Niklaus Wirth. In über 30 Jahren Wirken als Informatikprofessor hat er noch viele weitere Spuren hinterlassen. Zu nennen ist u. a. MODULA 2, die konsequente Weiterentwicklung von PASCAL, sowie LILITH, eine Rechnerarchitektur, die als Vorstufe für Apples MacIntosh und Microsoft Windows gilt. Mit der Verleihung des Technologiepreises 2002 würdigt und ehrt die Eduard-Rhein-Stiftung diese für die Entwicklung der modernen Informationstechnik fundamentalen Arbeiten.

Prof. Dr. Klaus Bender,
Technische Universität München