Maßgebende Beiträge zur Datenaufzeichnungstechnik moderner Festplattenspeicher

Magnetische Datenaufzeichnung für Festplattenspeicher
Als Sekundärspeicher sind Festplatten unverzichtbare Bestandteile von Computersystemen vom kleinsten mobilen PC bis zum größten Server System um System- und Benutzerdaten und Programme sicher aufzubewahren, selbst wenn der Computer abgeschaltet wird. Festplatten setzen sich zunehmend auch in der Unterhaltungselektronik durch, wo immer massive Mengen von kostengünstigem, nichtflüchtigem Speicher benötigt werden, wie in digitalen Videorekordern, MP3 Players, Mobiltelefonen oder Digitalkameras. Speicherdichte und Datenraten der Plattenspeicher nahmen in den letzten Jahrzehnten in einem frappanten Maß zu, begleitet von einer dramatischen Abnahme der Kosten pro gespeicherter Informationseinheit. Ermöglicht wurde dies durch den stetigen technischen Fortschritt bei allen Systemkomponenten: Schreib- und Leseköpfe, Speichermedium, Mechanik und Elektronik. Als Teil der Elektronik eines Festplattenspeichers detektiert der so genannte Aufzeichnungskanal das vom Lesekopf erzeugte analoge Signal und wandelt dieses in eine Bitfolge um. Bei den hohen Speicherdichten und Datenraten moderner Plattenspeicher stellt die zuverlässige Detektion der Lesesignale extrem hohe Anforderungen, da diese üblicherweise extrem schwach, verzerrt und im Rauschen begraben sind, das vom magnetischen Medium, der Elektronik und den Nachbardaten herrührt. In den ursprünglichen Aufzeichnungskanälen von Festplattenspeichern wurde als Verfahren zur korrekten Erkennung der Bits im Lesesignal die so genannte Peak Detection Methode verwendet, ein einfaches Detektionsverfahren, das die Plattenspeicherindustrie während ihrer ersten drei Jahrzehnte erfolgreich einsetzte.

Hisashi Kobayashi war der erste, der in seinen Veröffentlichungen der Jahre 1970/71 zeigte, dass ein digitaler Magnetaufzeichnungskanal als theoretisches Äquivalent eines Partial-Response Basisband- Datenübertragungssystems betrachtet werden kann und vorschlug, den Viterbi Algorithmus zur Maximum-Likelihood Detektion der als Partial-Response Signal codierten Symbolsequenzen anzuwenden. Dieser nach seinem Erfinder Andrew Viterbi (Eduard Rhein Grundlagenpreisträger 1994) benannte dynamische Programmierungsalgorithmus war ursprünglich für die Decodierung von Faltungscodes entwickelt worden. Kobayashis Analyse zeigte, dass ein auf diesen Prinzipien basierter Detektor signifikante Vorteile gegenüber dem bit-weisen Peak Detection Verfahren aufweist.

Wie manch andere innovative Erkenntnis war auch Kobayashis Idee ihrer Zeit voraus: Sie wurde zunächst weder in der Industrie noch den Hochschulen weiter verfolgt, bis in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre François Dolivo systematisch mögliche Signalverarbeitungsverfahren für Festspeicherplatten untersuchte, einschließlich einem Verfahren, in dem das Lesesignal die Form eines Partial-Response Signals der Klasse IV (PRIV) annahm. Die Untersuchungen zeigten das Potential für signifikante Verbesserungen der Speicherdichte und führten zum Entschluss, die Technik in einem Prototyp zu verifizieren und zu demonstrieren. In den folgenden Jahren erfanden und entwickelten Dolivio und sein Team im IBM Forschungslaboratorium Zürich in Zusammenarbeit mit der Plattenspeicher-Entwicklungsorganisation in Rochester, MN alle notwendigen Elemente einer neuen Aufzeichnungstechnik, die sie Partial Response Maximum Likelihood Sequence Detection (PRML) nannten. Ihre Arbeiten gipfelten 1990 in der Ankündigung des ersten industriellen Festplattenspeicherprodukts mit dem neuen Aufzeichnungskanal. Die PRMLTechnik wurde rasch zum De-facto-Industriestandard; sie ermöglichte während vieler Jahre jährliche Zuwachsraten von 60% für die Speicherdichte und 40% für die Datenrate von Festplattenspeichern.

In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre erzwang der kontinuierliche Zuwachs der Speicherdichte und Datenrate eine Abkehr von der existierenden Aufzeichnungstechnik. Erfüllt wurden die neuen Erfordernisse vom Konzept des von Evangelos Eleftheriou entwickelten Noise-Predictive Maximum Likelihood (NPML) Detektionsverfahrens. Ausgangspunkt dieser Methode war die Beobachtung, dass das Rauschen im Lesesignal nicht- wie bis anhin angenommen vollkommen zufällig ist. Um diesen Effekt in Rechnung zu stellen, wurde in den Berechnungsalgorithmus des NPML-Detektors ein Prozess zur Vorhersage des Rauschens, d. h. zur Weißfärbung des Rauschsignals eingeführt. Die Kombination von NPML und zusätzlichen ausgeklügelten Signalverarbeitungs- und Codierungsverfahren ermöglichte weitere substantielle Verbesserungen der linearen Aufzeichnungsdichte. Die neue Architektur wurde im Jahr 2000 in IBM Plattenspeicherprodukte eingeführt. Heute stellt die NPML-Technik und ihre Varianten die in der Festplattenindustrie breit akzeptierte Aufzeichnungstechnik dar.

Mit der Verleihung des 2005 Technologiepreises an Hisashi Kobayashi, François Dolivo und Evangelos Eleftheriou ehrt die EDUARD-RHEIN-STIFTUNG drei Pioniere der magnetischen Datenaufzeichnungstechnik, deren Beiträge maßgeblich zum einzigartigen Fortschritt der Festplattenspeicher während der letzten Jahrzehnte beigetragen haben.

 
Dr. Sönke Mehrgardt,
SODANA CONSULTING, Deisenhofen