Erfindung hocheffizienter organischer Halbleiterbauelemente

Pionier der Organischen Elektronik
Nach der erfolgreichen Einführung der zunächst noch auf voluminösen Kathodenstrahlröhren basierenden Fernseher entstand Ende der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts die Vision eines flachen, wie ein Bild an der Wand hängenden, elektronischen Fensters in die Welt. Obwohl diese von Eduard Rhein geteilte Vision inzwischen durch die von früheren Technologie-Preisträgern maßgeblich entwickelte Flüssigkristalltechnik zur Realität geworden ist, verbleiben immer noch zahlreiche Herausforderungen. Neben der insbesondere für mobile Endgeräte wesentlichen weiteren Verringerung der Bildschirmdicke und des Leistungsverbrauchs sind dies die weitere Verbesserung von Bildqualitätsparametern wie Kontrast und Farbraum, sowie insbesondere im Hinblick auf 3D Darstellungen die Erhöhung der Schaltgeschwindigkeit oder auch die Möglichkeit zur Herstellung von mechanisch flexiblen oder sogar aufrollbaren videofähigen Bildschirmen. All diese Forderungen können in nahezu perfekter Weise durch selbstleuchtende Bildschirme bestehend aus großflächig aufgetragenen Leuchtdioden aus organischen Halbleitern erfüllt werden. Die Entwicklung hocheffizienter großflächiger Dioden aus organischen Halbleitern ermöglicht darüber hinaus auch die Realisierung extrem kostengünstiger und mechanisch flexibler Solarzellen, wodurch sich ein weiteres äußerst attraktives Anwendungsgebiet der organischen Elektronik ergibt.

Ein wichtiger Meilenstein der organischen Elektronik war Ende der siebziger Jahre die Entdeckung elektrisch leitfähiger Polymere durch Heeger, MacDiarmid und Shirakawa, die im Jahre 2000 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. Die Leitfähigkeit organischer Materialien basiert auf der Ausbildung von über das organische Molekül ausgedehnten Orbitalen, die der geometrischen Form der Elektronenwolke entsprechen, sowie auf Hüpfprozessen der Ladung zwischen benachbarten Molekülen. Das energetisch am höchsten liegende und mit Elektronen voll besetzte Molekülorbital (highest occupied molecular orbit, HOMO) und das energetisch am niedrigsten liegende unbesetzte Molekülorbital (lowest unoccupied molecular orbit, LUMO) besitzen eine ähnliche Bedeutung wie das Valenz- und das Leitungsband der konventionellen Festkörperelektronik. Bei entsprechendem Abstand zwischen LUMO und HOMO können manche organischen Materialien sogar halbleitende Eigenschaften aufweisen, was die Realisierung von organischen Bauelementen wie Dioden oder auch Transistoren ermöglicht. Im Gegensatz zu konventionellen anorganischen Halbleitern aus aufwändig gezüchteten Einkristallen ist es möglich, organische Halbleiter durch vergleichsweise einfache Prozesse, wie Aufdampfen oder Beschichten aus einer Lösung (ähnlich wie eine Lackierung) auf nahezu beliebig großen Flächen aufzubringen. Dies ist eine Grundvoraussetzung zur kostengünstigen Realisierung großflächiger Anwendungen wie Bildschirme oder Solarzellen.

Bereits in den sechziger Jahren wurden erste Experimente zur Elektrolumineszenz in organischen Materialien durchgeführt. Aufgrund der geringen Ladungsträgerbeweglichkeit und damit der geringen Leitfähigkeit benötigten die dabei verwendeten viele Millimeter dicken organischen Schichten allerdings extrem hohe Spannungen im Bereich von hundert Volt. Im Gegensatz dazu untersuchte der Preisträger Mitte der achtziger Jahre in den Kodak Forschungslaboratorien Mehrschichtstapel aus aufgedampften extrem dünnen organischen Schichten, was ihm die Realisierung von organischen Solarzellen mit gegenüber bisherigen einschichtigen Bauelementen deutlich verbesserten Wandlungseffizienzen erlaubte. Aufbauend auf diesen Erfahrungen gelang Prof. Tang dann im Jahre 1987 zusammen mit seinem Mitarbeiter Van Slyke die Realisierung der ersten hocheffizienten Leuchtdiode aus organischen Halbleitermaterialien. Die dabei erzielte Verringerung der Betriebsspannung auf unter zehn Volt entspricht einer deutlichen Verbesserung der Bauelementeeffizienz um mehr als eine Größenordnung, wodurch erstmals praxisrelevante Leuchtdichten bei vergleichsweise niedrigem Energieverbrauch demonstriert wurden. Die inzwischen mehr als 2500 mal zitierte Veröffentlichung dieser revolutionären Ergebnisse fanden eine außerordentliche weltweite Beachtung und bildeten den Startpunkt für intensive Forschungsanstrengungen in zahlreichen akademischen und industriellen Forschungseinrichtungen.

Die Lichtemission ist in weiten Bereichen direkt proportional zum Strom durch die organische Leuchtdiode, so dass sehr einfach nahezu perfekte Schwarzwerte und damit auch hervorragende Kontrastwerte realisiert werden können. Die vergleichsweise schmalbandige Emission der Grundfarben ermöglicht eine hervorragende Farbwiedergabe, während das elektro-optische Funktionsprinzip Schaltzeiten im Mikrosekundenbereich aufweist. Die geringe Dicke des Schichtstapels von weniger als einem Mikrometer ermöglicht einen extrem dünnen Aufbau und sogar den Einsatz auf flexiblen Substraten. Neben einer kontinuierlichen Verbesserung der Effizienz und der Lebensdauer konnten inzwischen auch zahlreiche Herausforderungen der Massenfertigung gelöst werden. Inzwischen erreichen Bildschirme mit organischen lichtemittierenden Dioden einen weltweiten Umsatz von etwa 10 Milliarden US Dollar, obwohl derzeit nahezu ausschließlich kleine Bildschirme für mobile Endgeräte in großen Stückzahlen produziert werden. Erste großflächige Fernseher werden seit dem Frühjahr 2013, allerdings noch in geringen Stückzahlen, ausgeliefert. Ein weiteres attraktives Anwendungsgebiet der Elektrolumineszenz organischer Schichten ist die Beleuchtungstechnik. Im Gegensatz zu konkurrierenden Lösungen ermöglichen organische lichtemittierende Dioden dabei die Realisierung extrem dünner und großflächiger Leuchtflächen. Prognosen gehen von einem nahezu exponentiellen Wachstum auf ein Weltmarktvolumen von ca. 5 Milliarden US Dollar in den kommenden fünf Jahren aus. Darüber hinaus werden weltweit auch große Anstrengungen zur kommerziellen Einführung organischer Solarzellen unternommen, wobei insbesondere das Potenzial zur extrem kostengünstigen Herstellung völlig neue Einsatzgebiete ermöglichen wird.

Der diesjährige Preisträger, Professor Ching W. Tang, hat nicht nur den entscheidenden Anstoß für all diese Entwicklungen gegeben, sondern über fünfundzwanzig Jahre auch einen wesentlichen Beitrag für die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung hocheffizienter organischer Halbleiterbauelemente geleistet. Zahlreiche Preise und Ehrungen wie beispielsweise der Jan Rajchman Preis der Society for Information Display (2001) oder den Wolf Preis für Chemie (2011) dokumentieren die weltweite Anerkennung des Schaffens von Prof. Ching W. Tang.

Die Eduard-Rhein-Stiftung ehrt mit Herrn Professor Dr. Ching W. Tang einen weltweit anerkannten Pionier der organischen Elektronik, der die entscheidende Grundlage für völlig neuartige Bildschirm- und Beleuchtungstechnologien gelegt hat.

Prof. Dr.-Ing. Norbert Frühauf
Universität Stuttgart