Entwicklung des digitalen Mobiltelefonsystes (GSM)

Thomas Haug
für sein herausragendes Engagement bei der Realisierung und Standardisierung des GSM-Systems innerhalb der CEPT/ETSI.

Heikki Huttunen
für grundlegende Ideen und fortschrittliche Entwicklungsarbeiten im besonderen für sein Beiträge zu Entwicklung der Handys

Dr. Dr.h.c. Jan Uddenfeldt
für grundlegende Ideen und fortschliche Entwicklungsarbeiten im besonderen für seine Beiträge zur Aufbau der GSM-Infrastruktur.

Moderne digitale Zellulartelefonsysteme gehören zu den innovativsten und erfolgreichsten Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, die in den vergangenen zehn Jahren eingeführt würden. Während der eigentlichen Entwicklungsjahre war GSM eine rein europäische Pionierarbeit, jedoch haben die daraus resultierenden Geräte und Systeme längst einen weltweiten Siegeszug angetreten. Mittlerweile ist die Zahl der jährlich produzierten Handys in der Welt größer als die Zahl der Autos. Ins besondere in der industrialisierten Ländern hat ihr Einsatz explosionsartig zugenommen. Im Oktober 1996 lag die Marktdurchdringung der Mobiltelefone (analog und digital) in Bezug auf die Zahl der Einwohner in Schweden und Finnland bei 27,7 %, in Deutschland -bei erheblich größerer Bevölkerung- bereits 6%; 1994 waren es erst 0,2%.

Der Anteil der digitalen Mobiltelefone nach dem GSM-Standard beträgt etwa 60%, mit stark steigendem Volumen,. Die meisten Vorhersagen gehen davon aus, daß im Jahr 2003 die Zahl der Mobiletelefone diejenige der Leitungsgebundenen Telefone in Skandinavien übersteigen wird. Dazu sollte man wissen, daß dort schon heute die Zahl der Leitungsgebundenen Telefone pro 100 Einwohner die höchste der Welt ist und schon langem in Städten wie Stockholm die 100-Prozent-Marke überschritten hat.

Wie es zum digitalen Mobiltelefon kam
Der eigentliche Anstoß zu Entwicklung kam in den frühen 80er Jahren. Damals setzte sich die Erkenntnis durch, daß mit ein analogen Mobilfunktechnik ein weiteres Wachstum über kurz oder lang wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Sendefrequenzen nicht mehr möglich sein würde. Die ersten Versuche Digitaletechnik nuten das Modulationsverfahren FHDMA (Frequenzvielfachverfahren, Ericsson und Telia,1983-84), fast parallel aber auch Breitband-TDMA (Zeitvielfachverfahren, SEL, 1983-84) und anschließend dann das heute übliche Schmalband-TDMA (Zeitvielfachverfahren, Ericsson, Telia, Nokia und Radiolinja, 1984-85).

Die Diskussion um die Technologie
Im Februar 1985 fand eine erste Konferenz zum Thema „Digitale Land Moble Radio communication“ (DMR) in Espoo, Finnland, statt. In Jahresabstand folgten weitere Konferenzen zu dem Thema. Ursprünglich waren diese Konferenzen stark durch Betreiber der Kommunikationsnetzt geprägt, von 1986 an traten dann drei Unternehmen in der Vordergrund: die schwedische L.M. Ericsson, die finnische Nokia Oy und die französische LCT (Labooratoire Centrale de Télécommunication). Von Jahr zu Jahr konnte man auf den Konferenzen die rasche Fortschritte der technischen Grundlagen für das neue System verfolgen:

  • Die DMR ’85 wurde schwerpunktmäßig von Breitband-TDMA-System der SEL beherrscht. Daneben errang das digitale FDMA eine gewisse Aufmerksamkeit.
  • Auf der DMR ’86 konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer erstmals auf das Schmalband-TDMA-Verfahren.
  • Im Frühjahr 1987 führen die Ergebnisse der von der französischen CNET durchgeführten Feldversuche zur Entscheidung für das TDMA-Schmalbandverfahren, das mit 200kHz Kanalabstand die Basis des heutigen GSM-Standards darstellt.
  • 1989 unternahmen Ericsson und Northern Telecom in den U.S.A. Feldversuche, die schließlich die amerikanische Telecommunications Industry Association (TIA) führte. Wegen der Konkurrenzsituation mit dem amerikanischen CDMA-Verfahren gibt es aber in Nordamerika bis heute keinen einheitlichen digitalen Mobilfunkstandard. Soweit man die weitere Entwicklung in Nordamerika beurteilen kann, könnte es dort auf Sicht zu einen Nebeinander der beiden Schmalbandtechniken TDMA und CDMA kommen. Als unwahrscheinlich gilt die Möglichkeit, eine gemeinsamen dritte Standard zu entwickeln.
  • Das japanische Postministerium entschied sich 1989 für die Übernahme der TDMA-Technologie mit 25kHz Kanalbandbreite.

Die Standardisierungs- und Testphase.
Betrachtet man die Basisverfahren der beiden konkurrierenden Systeme, dann stößt man auf folgenden grundsätzliche Unterschiede:

  • Im Zugriffsverfahren (Zeitmultiplex versus Frequenzmultiples);
  • in der Bandbreite (Schmalband versus Breitband);
  • bei der Verarbeitung der Mehrwegausbreitung (dynamische Entzerrung versus Diversity-Empfang;
  • bei der Sprachkompression und Codierungsverfahren)
  • bei der Robustheit der Systeme im Betrieb.

All diese Themen wurden in den Feldversuchen des CNET zwischen Oktober 1986 und Januar 1987 untersucht. Die besten Eigenschaften in der Kombination zeigte schließlich das Schmalband-TDMA, das ursprünglich und unabhängig voneinander von Ericsson und Nokia vorgeschlagen worden war. Der dynamischen Kanalentzerrung kam dabei besondere Bedeutung zu, da man mit ihr die Probleme der Mehrwegeausbreitung und andere Modulationsverzerrungen in den Griff bekam. Die Grundsatzarbeiten hierzu wurden vom LCT (das später von Matra übernommen wurde) geleistet. Hier ist namentlich vor allem Jean-Louis Dornstetter und sein Team zu nennen, die wesentliche Teile der Feldversuche gelesteit haben und deren Ergebnisse in die Systemspezifikationen eingingen. Nachdem die notwendigen Normungen innerhalb der ETSI (Europäisches Standardisierungsgremium für Telekommunikation) festgelegt wurden, konnte das GSM-System 1990 als europäische Standard aus der Taufe gehoben werden.

Kommerzieller Einsatz
Im Juni 1990 wurden die ersten „offiziellen“ Telefongespräche über ein digitalen GSM-System in Helsinki geführt. Das Netz dafür würde von Radiolinja mit Nokia-System bereitgestellt, die Handys kamen von Nokia. Im August 1990 folgten ähnliche Versuche in Stockholm. Hier gehörte das Netz der Telia (mit Geräten von Ericsson). Und im Herbst 1990 schließlich ging ein Mannesmann D2_Netz mit Geräten von Ericsson in Betrieb. Alle diese Netze waren zwischen 1991 und 1993 uneingeschränkt in Nutzung.

Die Erfinder des GSM-Systems
Es ist völlig unmöglich, eine Einzelperson oder Gruppe als Erfinder des digitalen Mobilfunksystem GSM herauszuheben; das geht schon deshalb nicht, weil eine Vielzahl ganz unterschiedliche Ideen und Erfindungen für die Realisierung des Systems benötigt wurde. Es war ein hartes Ringen um ein großes gemeinsames Ziel, an welchem sich größere Arbeitsteams der verschiedensten Wettbewerber auf der Markt beteiligten. Ob Hersteller von Geräten und Systemen, ob Netzbetreiber, sie blieben ja voll im wechselseitigen Wettbewerb, zogen aber trotzdem einen neuen Standard durch, der sich nun am Markt behauptet.

Such man nach den Vätern der ersten Stunde, geht man also auf die technischen Prinzipien zurück, dann haben hier  Ericsson und Nokia die grundlegenden Arbeiten geleistet: Ericsson im Schwerpunkt an der Infrastruktur und Schmalband-TDMA, aber auch an den Handys, Nokia an der Handys, aber auch an der Infrastruktur. Schwedische Telecom hat mehr als andere von Anfang an dazu beigetragen, Standardisierung des GSM-Systems dann auch in Europa auf die Schiene zu bringen.

Die Eduard-Rhein-Stiftung hat sich entschieden, ihren diesjährigen Technologiepreis drei Schlüsselpersonen zu gleichen Teilen zuzuerkennen, die unter den ober genannten Prämissen zu der heutigen Bedeutung des GSM-Systems beigetragen haben:

Jan Uddenfeldt von L.M. Ericsson
Heikki Huttunen von Nokia Mobil Phone Oy
Thomas Haug von CNET/ETSI.

 

Prof. Dr. Dr.h.c. Matti Otala, Technische Universität Tampere